Wer sich heute über die Probleme mit den Flüchtlingen wundert, sollte sich erinnern an die Zeit, als nach dem Krieg Millionen Vertriebene untergebracht und integriert werden mussten. Wie das damals in der noch unabhängigen Gemeinde Massenheim ablief, daran erinnert sich Josef Knipf, der selbst aus Ungarn stammt. Seinerzeit gab es Kreiskommissare für Flüchtlingswesen, Zwangseinweisungen in Häuser, Lehrerinnen, die auf Deutsch Wert legten – und eine Tagesration von 5 Gramm Fett.
Die Wohnungsnot führte dazu, dass selbst Spätheimkehrer keinen Platz mehr in ihrem eigenen Haus fanden, berichtet Knipf. Deshalb seien rasch neue Baugebiete ausgewiesen worden – ein Umstand, den auch viele ältere Massenheimer so nicht in Erinnerung hätten. Bereits 1951 wurde Am Weinberg gebaut, ab 1955 Am Weißen Stein. Anfang der 1950er-Jahre kam auch Josef Knipf nach Massenheim, war nach einer langen Odyssee schon gut integriert. Doch davon ahnte er im August 1947 noch nichts, als er mit Mutter und Schwester aus Gara im ungarischen Grenzgebiet zu Jugoslawien, vertrieben wurde. Der Vater war noch in russischer Kriegsgefangenschaft.
Keine Zeit für Gefühle
Morgens um sieben Uhr hieß es auch für den damals Zwölfjährigen plötzlich, das Haus zu verlassen. Zwei Stunden blieben, um alle Habseligkeiten zusammenzupacken – maximal 50 Kilo pro Person. Im Militär-Lastwagen, später im Viehwaggon ging es nach Pirna in Sachsen in eine ehemalige Kaserne. An große Gefühle damals kann sich Knipf nicht erinnern: „Ich bin im Krieg aufgewachsen, das Durcheinander war überall.“ Und: „Wir haben hingenommen, wie’s kommt.“ Widerstand zu leisten, hätte Gefängnis oder Schlimmeres bedeutet. Auch im deutschen Osten habe es wenige Probleme gegeben. Dann erinnert sich der mit Ungarisch aufgewachsene Knipf an etwas, das auch heute in der Flüchtlingsbetreuung eine zentrale Rolle spielt: die deutsche Sprache. „Wir hatten im sächsischen Neustadt eine Lehrerin, die hat uns angenommen.“ Und fürs Lesen motiviert: „Ich habe als Junge die Karl-May-Bücher von A bis Z gelesen.“ Der Lehrerin sei er noch heute dankbar.
Integration: Das bedeutete in der sowjetischen Zone auch den Beitritt zur staatlich gelenkten Jugendorganisation FDJ. Das sei ein bisschen so, wie jetzt die Flüchtlinge, die in Sportvereine gehen, sagt er – nicht wegen der Politik, sondern wegen der Gemeinschaft und des Sports. Später machte Knipf in Bad Kissingen eine Metzgerlehre, kam dann nach Massenheim, wo sein Vater mittlerweile eine Werkswohnung durch die Ziegelei erhalten hatte. „Da war ich schon integriert“, sagt er. Doch die doppelte, deutsche Staatsangehörigkeit, nahm er erst 1994 an.
Heute hat Knipf Bedenken, dass die Situation wieder kippen könnte. „Keiner ist bereit, Wohnungen zur Verfügung zu stellen“, und die Ansprüche seien heute viel höher. Auch in der Zusammensetzung gebe es einen großen Unterschied: Damals waren sehr viele Männer in Gefangenschaft, nur die Angehörigen kamen. Heute ist es umgekehrt.