Von Patrick Eickhoff
Jörg Schatz beendet »Karriere« als ehrenamtlicher Standesbeamter
Bad Vilbel. Vom Ortsvorsteher zum ehrenamtlichen Standesbeamten: Jörg Schatz hat diesen Schritt nie bereut. Der Massenheimer blickt auf zahlreiche Trauungen zurück. »Ich habe versucht, jede zu etwas Besonderem zu machen«, sagt er.
»Wenn du mich traust, dann heirate ich.« Mit diesem Satz fing alles an. »So etwas darfst du mir nicht zweimal sagen«, betont Jörg Schatz und lacht. Was sein Freund Conny Ahrens mit dieser Aufforderung auslöst, das hat wohl auch Schatz damals noch nicht geahnt. Der damalige Ortsvorsteher Massenheims lässt den Worten Taten folgen, hospitiert im Standesamt und wird ehrenamtlicher Standesbeamter. 23 Jahre und 130 Trauungen später ist Schluss für den 86-Jährigen. »Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht.«
Jörg Schatz zieht es 1966 nach Bad Vilbel – als leitender Angestellter der Computerfirma Unisys. Sein Berufsleben erfüllt ihn. Zwei Jahre lebt er in den USA, weltweit schult er Mitarbeiter in gewissen Betriebssystemen. »Heute würde man das wohl Account-Manager nennen«, sagt er. Für Schatz kam der Dienst als ehrenamtlicher Standesbeamte gerade richtig. Nach einem erfüllten Berufsleben geht er 1998 in Rente. »Ich habe eine neue Aufgabe gesucht.« Die findet er. Auf der Standesakademie »habe ich mir das Recht erworben, trauen zu dürfen«, wie Schatz sagt. Und da er zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren Ortsvorsteher Massenheims ist, ist Schatz »bekannt wie ein bunter Hund«. Dementsprechend groß ist der Andrang. »Meine Trauungen waren immer etwas Besonderes und ganz persönlich.« Schatz nimmt sich Zeit, befragt zuerst die Freunde und dann das Ehepaar. »Ich habe meine Rolle ein bisschen wie ein Pfarrer interpretiert und das Ehepaar vorher gefragt, was sie aneinander interessiert. Meine Reden waren immer individuell zugeschnitten.«
Besonders gerne denkt er an seine ersten Trauungen zurück. »Das waren richtige Events«, berichtet Schatz. Weil der kleine Raum in Massenheim nur für maximal 40 Personen ausgelegt war, überträgt Schatz die Hochzeiten mit Musik-Boxen sogar nach draußen. »Es war einfach wunderbar.«
Eine der schwersten Prüfungen sei der 9. 9. 1999 gewesen. Bei der Stadt war der Andrang groß. »Es ist ein beliebtes Hochzeitsdatum und ich habe deshalb in der Kernstadt ausgeholfen und drei Trauungen vorgenommen. Mein Problem war, dass ich zum ersten Mal die Leute nicht kannte«, erinnert sich Schatz zurück.
Tief beeindruckt haben ihn Patchwork-Familien mit älteren Kindern. »Auf die habe ich mein Augenmerk im Gespräch gelegt.« Ins Schmunzeln kommt er, wenn er durch die Liste der Trauungen blättert. »Eine Frau habe ich sogar zweimal verheiratet«, sagt er.
»Eine Trauung 1999 werde ich nie vergessen«, sagt er. »Vor mir saß ein Paar, beide waren über 65 Jahre alt. Ich bin vor die Tür gegangen und es waren keine Gäste da. Das habe ich dem Paar mitgeteilt. Sie meinten, es sei richtig so, sie hätten ja sich.« Schatz beginnt mit der Trauung. Das ältere Paar hält Händchen. Schnell kullern die ersten Freudentränen. »Ich habe gesagt, wenn die beiden nicht aufhören zu weinen, dann fange ich auch an. Im Endeffekt haben wir alle drei geheult. Das werde ich nie vergessen.«