Vor Kurzem traf ich Freunde nach ihrem ausgedehnten Urlaub in Indonesien wieder. Sie berichteten von der spannenden Kultur, der herrlichen Landschaft, dem guten Essen in dem asiatischen Land. Und sie erzählten von den allgegenwärtigen Opfergaben: Die Angehörigen der angestammten Religionen flechten kleine Körbchen aus Palmenzweigen und legen etwas zu essen, eine Süßigkeit, einen Kaugummi oder einen Keks hinein. Manche dieser Opfergaben werden in den Tempel gebracht, andere einfach vor die Tür gestellt, Tag für Tag. Dafür investieren die Menschen gut und gerne 10 Prozent ihres Einkommens.
Warum tun sie das? Aus religiösem Zwang? Bestimmt nicht nur. Ein Grund, wir waren uns einig, könnte auch darin liegen: Wer regelmäßig etwas abgibt von dem, was er hat, der führt sich selbst vor Augen, dass er genug hat. Er erlebt sich selbst als so reich beschenkt, dass es auch für die Andere reicht. Wer dagegen alles für sich behält, der schaut danach, dass es immer mehr wird und erlebt sich selbst eher als einer, der gewiss nicht zu den Reichen gehört.
Ein spannender Gedanke, oder? Gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um die „allgemeine Dienstpflicht“, die in den vergangenen Tagen die Presse beherrscht hat. Als Pflicht scheint mir der Vorschlag aus vielen Gründen untauglich zu sein. Aber wer ein Jahr seines Lebens auf anderem Wege freiwillig für die Gemeinschaft, für einen sozialen Zweck gibt, der profitiert am Ende selbst davon. In unserer Kirchengemeinde erleben wir das besonders intensiv bei den jungen Menschen, die für ein Jahr in einem unserer Partnerprojekte mitarbeiten. Ein Jahr in den Kinderheimen in Südindien, ein Jahr im AIDS-Projekt in Südafrika, und jedes Mal kommen die Freiwilligen begeistert zurück, reich beschenkt.
Es stimmt: Freiwillig zu geben, das zahlt sich aus. So sieht es übrigens auch die Bibel, in der immer wieder vom „Zehnten“ die Rede ist. Wer Einkünfte hat, der soll ein Zehntel davon abgeben. Früher wurde dieser Zehnte in den Tempel gebracht, heute spenden viele Menschen diesen Teil ihres Einkommens für einen guten Zweck. Aus religiösem Zwang? Bestimmt nicht nur. Sondern auch, weil die, die etwas abgeben können, sich selbst als reich, als beschenkt erfahren können.
„Stellt mich auf die Probe“, sagt Gott durch seinen Propheten Maleachi im Alten Testament (Mal 3,10) und fordert die Menschen auf, ihren Zehnten freiwillig zu geben, „und macht den Versuch, ob ich dann nicht die Fenster des Himmels öffne und euch mit Segen überschütte!“ Beschenkt sein dadurch, dass wir abgeben von dem, was wir haben. Das gilt für unser Geld und für unsere Zeit, für unsere Leidenschaft und unsere Kreativität. Und es gilt selbst für den Griff zum Telefonhörer, wenn man sich bei einem alten Bekannten meldet, den man schon lange nicht mehr gesprochen hat.
Zehn Prozent des eigenen Reichtums an Zeit, Geld und vielem mehr zu investieren in andere Menschen, in soziale Projekte oder einen Verein – das zahlt sich aus. Wetten? Stellen Sie Gott ruhig auf die Probe!
Ihr Pfarrer Ingo Schütz
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel