Zuweilen nimmt man sich viel vor. Die Sache stellt sich auch als schwieriger, weil komplexer dar, als angenommen. Doch man ist fest entschlossen die Herausforderung anzunehmen. Man legt sich richtig ins Zeug und … dann läuft es doch aus dem Ruder, das Ergebnis ist ernüchternd und man hat seine Mühe, das Scheitern zu verkraften.
Ein anderes Mal tut man „nur“ seine Pflicht, ist zwar gewissenhaft bei der Sache, setzt jedoch keine allzu große Hoffnungen auf das Resultat. Schließlich ist man selbst überrascht, was dabei herausgekommen ist. Der Kommentar klingt fast ein bisschen überheblich: „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf!“ Das ist zwar nicht genau zitiert, aber Redensarten haben nun mal ihre eigene Entstehungs- und Wirkungsgeschichte. Es lohnt sich jedoch allemal, den Zusammenhang mit genauer Quellenangabe nachzulesen. Im Psalm 127,1-2 heißt es: „Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.“
Redensarten haben es nun einmal an sich, in ihrer zugespitzten und komprimierten Art der Wirklichkeitsdeutung einen aufs Glatteis zu führen. „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“ könnte auch so verstanden werden, dass eben mal mangelnder Einsatz belohnt werde. Doch diesem Missverständnis schiebt das Zitat aus dem Psalm 127 schon einen Riegel vor, denn da ist von Hausbauern die Rede, die ihr Handwerk verrichten und von Stadtwächtern, die ihre Aufgabe ebenso gewissenhaft erfüllen – aber das reicht offenbar nicht aus. Noch deutlicher wird dies in einem Gleichnis, das Jesus im Markus- Evangelium, im 4. Kapitel erzählt. Da vergleicht er das Reich Gottes, die Wirklichkeit Gottes also, mit dem, was ein Landwirt bei seiner Arbeit erfahren kann. Dieser bestellt den Acker, sät das Saatgut ein, – die Zeiten in denen der Samen einfach auf das Land geworfen wurde, gehören in unseren Breiten längst der Vergangenheit an – danach kann er nur noch dem Rhythmus von Tag und Nacht, von Wachen und Schlafen folgen, und weder den Wachstums- noch den Reifeprozess der Frucht weiter beeinflussen. Währenddessen geschieht Entscheidendes ohne sein Dazutun; „automatisch“ ist das griechische Wort, das der biblische Verfasser gebraucht. Das ist für uns Menschen, die wir von der Machbarkeit aller Dinge mehr und mehr überzeugt sind, schwer nachvollziehbar. Für uns, die wir meinen, alles im Griff zu haben und uns zuweilen auch nach einer ungeklärten kontroversen Debatte am Telefon mit den Worten „alles klar!“ verabschieden, ist es kaum zu begreifen, dass sich etwas ohne unseren Beitrag, gleichsam im Verborgenen, jenseits all unserer Aktivitäten entwickelt. Und es kann natürlich sein, dass Landwirte eine gewisse Sensibilität besitzen, um solche Zusammenhänge eher zu verstehen. Aber man höre und staune, es gab Zeiten, da haben selbst hochmotivierte und extrem engagierte Theologen etwas von dem Geheimnis des Wachstums gewusst. Wie sonst soll man die Zeilen Martin Luthers an seine Frau Katharina von Bora verstehen?
„Liebe Katharina, nach einem langen Tag sitze ich bei einem Maß Bier und denke mir, der liebe Gott wird es schon machen!“
Pfarrer Hans Karl Heinrich,
Ev. Kirchengemeinde
Bad Vilbel-Gronau