Der Konflikt um das im Bad Vilbeler Quellenpark geplante Möbelhaus von Segmüller geht in die nächste Runde. Das Verwaltungsgericht Gießen entschied am Montag, 12. Mai, dass das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt erneut über den Bau entscheiden muss. Die Behörde habe nicht ausreichend begründet, warum die Verkaufsfläche für Waren wie Keramik oder Textilien nur 800 Quadratmeter groß sein darf. Die Stadt hielt das aber für viel zu gering – und klagte.
Bad Vilbel. In vollem Umfang hat das Verwaltungsgericht Gießen der Stadt Bad Vilbel im Rechtsstreit um die Baugenehmigung für das Möbelhaus Segmüller recht gegeben: Danach darf Segmüller sein Möbelhaus errichten. Und zwar mit 45 000 Quadratmetern Verkaufsfläche, davon 3 900 Quadratmeter für Randsortimente – vorausgesetzt, das zuständige Regierungspräsidium Darmstadt grenzt die Fläche nicht doch wieder ein.
In dem von der Kammer verkündeten Urteil wird das Regierungspräsidium verpflichtet, über den Antrag der Stadt Bad Vilbel auf Bau eines Möbelhauses und damit auf Abweichung von den Zielen des Regionalplanes Südhessen 2000 neu zu bescheiden. Das Gericht gibt in seinem Urteil dem RP als ausführendem Organ der Regionalversammlung Südhessen sogar vor, in welche Richtung der neuerliche Bescheid laufen soll. Und zwar soll der Stadt erlaubt werden, auf rund elf Hektar ein Sondergebiet für ein Möbelhaus im Bereich Quellenpark mit einer Fläche von 3900 Quadratmetern für die sogenannten Randsortimente wie Lampen, Haushaltswaren und Geschenkartikel ausweisen zu können. Dort soll sich das bayerische Möbelunternehmen ansiedeln.
Bisher war mit Bescheid vom 10. März 2011 zwar die Abweichung vom Regionalplan für die Ausweisung eines „Sondergebiets Möbelmarkt“ zur Segmüller-Ansiedlung mit einer Gesamtverkaufsfläche von 45 000 Quadratmeter zugelassen. Jedoch mit der Einschränkung, dass sogenannte zentrenrelevante Sortimente insgesamt 800 Quadratmeter nicht überschreiten dürften. Als Begründung war angeführt worden, dass das Einzelhandelskonzept, das im neuen Regionalplan einen wesentlichen Bestandteil bilden werde, eine größere Fläche nicht zuließe. Nach diesem Konzept soll der innerstädtische Einzelhandel davor geschützt werden, dass durch den Bau großer Einkaufszentren mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes auf die grüne Wiese verlagert würde. Bei einer Größenordnung von 3 900 Quadratmetern für Randsortiment sei jedoch in jedem Fall der innerstädtische Einzelhandel beeinträchtigt. Ursprünglich wollte Segmüller sogar fast 6000 Quadratmeter für das Randsortiment.
Diese Begründung war nach der Auffassung der Kammer fehlerhaft, weil sie nachvollziehbare Gründe für die befürchteten schädlichen Auswirkungen des innerstädtischen Handels vermissen ließ. Zwar sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch bei einem erwarteten Kaufkraftabfluss von weniger als zehn Prozent eine Beschränkung der Flächen für Randsortimente möglich, wenn aus besonderen Gründen negative Auswirkungen auf benachbarte Städte zu befürchten seien. Dies erfordere dann aber eine ausdrückliche Darlegung dieser Gründe und im Weiteren eine Abwägung des Für und Wider.
Schlechtes Gutachten
Die Vertreter der Regionalversammlung hatten zwar jüngst noch mit einem Gegengutachten versucht, die ursprünglichen Marktuntersuchungen der Stadt Bad Vilbel zu entkräften. Doch ließ das Gericht dies nicht zu, weil das Gutachten die Begründung der Klageabweisung nicht ergänzen, sondern abändern würde.
Trotzdem räumte das Gericht ein, dass es durchaus gute Gründe für eine Begrenzung des Randsortiments geben könne. Deshalb müsse erneut über den Antrag der Stadt Bad Vilbel entschieden werden.
Deren Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) zeigte sich zufrieden. „Wir sind zwar noch nicht am Ziel, denn mit dem neuen Bescheid kann es eine erneute Beschränkung geben. Diese muss dann aber sehr genau begründet sein. Die 800 Quadratmeter aus dem ersten Bescheid sind auf jeden Fall kaputt. Das ist die Hauptsache.“
Unterdessen griff Bad Vilbels Stadtrat Klaus Minkel (CDU) die Regionalversammlung und den Planungsverband scharf an: „Es fällt auf, dass sie mit ihren Entscheidungen die Gegenwart aus den Augen verlieren: Möbelgigant Ikea will in Deutschland weitere 25 Märkte einrichten, den Umsatz verdoppeln und vor allem den Internetvertrieb weiter ausbauen. Ikea, Amazon, Zalando und andere Unternehmen greifen den Einzelhandel an, ohne dass es dagegen ein Rezept gäbe.“ Stattdessen solle stellvertretend ein deutscher Mittelständler wie Segmüller geopfert werden.
Das sieht die Stadt Homburg, einer der Hauptgegner der Segmüller-Pläne, anders. „Die Ansiedlung eines Möbelhauses in den geplanten Dimensionen in Bad Vilbel widerspricht den Grundzügen des Regionalen Einzelhandelskonzeptes“, betonte ein Sprecher von Oberbürgermeister Michael Korwisi (Grüne). Eine offizielle Stellungnahme des RP zum Urteil gab es am Montag noch nicht.
Ein im Gericht anwesendes Mitglied der Regionalversammlung, das sich aber nicht namentlich äußern wollte, sagte zur FNP: „Ob die Regionalversammlung gegen das Urteil nun in die Berufung gehen wird, erscheint mir äußerst fraglich, weil sogar der Richter deutlich gemacht hat, dass es hier für die gesamte Rhein-Main-Region um eine Investition von über 100 Millionen Euro und um 500 Arbeitsplätze geht. Jetzt muss sich die Landesregierung einschalten. Das Vorhaben darf nicht am Kirchturmdenken einzelner Politiker scheitern.“
Das Gericht hat jedenfalls Berufung zugelassen. Und rechtskräftig wird das Urteil erst in vier Wochen.
Seit 2010 plant Mittelständler Segmüller sein Bad Vilbeler Möbelhaus, das mit insgesamt 45 000 Quadratmetern Verkaufsfläche im Gewerbegebiet „Quellenpark“ entstehen soll. 120 Millionen Euro will das bayerische Familienunternehmen hier verbauen und damit rund 500 Arbeitsplätze schaffen.