In Karben ist kein Platz für Rechtsextremismus. Das zeigen Hunderte, indem sie vorige Woche am Mittwoch das Bürgerbündnis „Offenes Karben“ gründen.
Karben. Schon das ist ein starkes Zeichen, bevor die Veranstaltung überhaupt losgeht. Da weit mehr als die erwarteten 200 Bürger im großen Saal des Bürgerzentrums erschienen sind, müssen erst noch weitere Stühle besorgt werden. Vor lauter Andrang nehmen die Besucher sogar auf den Tischen Platz.
So viele Menschen sind dem Aufruf der Stadt, der Kurt-Schumacher-Schule (KSS), des Ausländerbeirates, des Deutsch-Ausländischen Freundschaftskreises, der Ditib-Gemeinde und der Initiative Stolpersteine gefolgt, um an der Gründung eines Bündnisses teilzunehmen. Anlass dazu war die Entstehung eines Treffpunkts der „Identitären Bewegung“, einer rechtsextremen Gruppierung, in der Bahnhofstraße. Besonders durch seine Nähe zur Moschee der Ditib-Gemeinde hat dieser für Furore gesorgt. Auch Kulturstadtrat Philipp von Leonhardi deutet dies als Provokation und Bedrohung eines offenen Karbens, wie er in seiner Ansprache deutlich macht.
Rechte verteilen Flyer
Dass sich die Rechtsextremisten tatsächlich in Karben niedergelassen haben, erkennt der Besucher bereits am Eingang zum Bürgerzentrum. Dort steht Andreas Lichert, Gründer der so genannten Projektwerkstatt der „Identitären Bewegung“, und verteilt Flyer. Der scheinbar ungefährliche Ton des Schreibens ist für Professor Benno Hafeneger von der Uni Marburg nichts Ungewöhnliches.
Hafeneger ist, wie Andreas Balser von der Antifaschistischen Bildungsinitiative (Antifa-BI) Friedberg, als Experte eingeladen und gibt in einem Vortrag Einblicke in die Lage des Rechtsextremismus in Deutschland. So versuchen sich die heutigen Rechtsextremen, sich modern und intellektuell zu geben und argumentieren kulturpessimistisch, dass die deutsche Kultur in Gefahr sei.
Die anschließende Möglichkeit, Fragen an den Experten zu stellen, nutzen jedoch nicht nur interessierte Bürger, sondern auch einige „Identitäre“ und deren Sympathisanten. Sie zitieren oft gehörte Phrasen rechtspopulistischen Gedankenguts und heizen so die Stimmung im Saal an. So sehen sich die Leute im Saal mehrfach gezwungen, den Provokationen ein Ende zu bereiten und destruktive Zwischenrufe lauthals in Unmutsäußerungen untergehen zu lassen. Dennoch muss von Leonhardi insgesamt siebenmal wie zuvor angekündigt von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Besucher, deren Verhalten einen konstruktiven Verlauf der Veranstaltung unmöglich macht, des Saals verweisen.
Dass diejenigen dies als Beschneidung der freien Meinungsäußerung interpretieren, ist für die eingeladenen Experten, die Derartiges schon oft erlebt haben, nichts Neues. Auch Andreas Balser von der Antifa-BI ist davon nicht aus der Ruhe zu bringen. Er berichtet in seinem Kurzvortrag davon, dass die Wetterau zwar eine strategische und politische Hochburg für Nationalsozialisten sei, doch Karben gleichzeitig für seine gute Präventionsarbeit bekannt sei.
So kommt er zu dem Schluss: „Wenn Karben der Identitären Bewegung friedlich gegenübertritt, haben ihre Anhänger keine Chance.“ Zudem macht er der versammelten Gemeinde Mut, indem er von erfolgreichen Projekten aus Butzbach und Echzell berichtet, denen es gelang, das Problem durch die Gründung eines Bürgerbündnisses in den Griff zu bekommen. Und die Besucher der Veranstaltung können es kaum abwarten, damit anzufangen. Rasch werden die gedruckten Formulare verteilt, auf denen jeder, der dem Bündnis beitreten möchte, seinen Namen hinterlassen kann. Dadurch soll eine bessere Kommunikation ermöglicht werden und schon bald weitere Veranstaltungen geplant und angekündigt werden.
Auch der Moderator des Abends, Andreas Hofmann, wirbt noch einmal dafür, nicht nur beizutreten, sondern auch Werbung zu machen. Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine macht deutlich: „Wir geben hier nur den Anstoß, jetzt sind Sie, die Bürgerschaft, gefordert, ein offenes Karben zu leben.“ Ein Vereinsvorsitzender folgt auf den nächsten, um den Beitritt anzukündigen, Vertreter aller Karbener Kirchen stehen am Mikrofon bereit, die KSS, das Berufsbildungswerk, der Naturschutzbund und viele andere Karbener Organisationen.
So ist auch Philipp von Leonhardi nach einem anstrengenden und langen Versammlungsabend zufrieden. Er sieht durchaus gute Chancen, das Ziel, die Schließung der Projektwerkstatt in der Bahnhofstraße, zu erreichen. Und meint: „Wenn wir das geschafft haben, gehen wir als Gemeinde gestärkt aus der Sache hervor.“