„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.“
Diese Verse aus dem Jesajabuch (9,1 ff) kamen mir in den Sinn, als ich die Nachricht hörte, dass der ehemalige Diktator Chiles, der General Augusto Pinochet gestorben sei. Meine chilenischen Freunde haben sich gefreut, weil endlich mit dem Tod des Diktators, der so viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte, der Albtraum, unter dem viele gelitten hatten, ein Ende gefunden hat. Ich erinnere mich an die Worte, die mein Vorgänger und Kollege Pfarrer Helmut Frenz berichtete, als er in einer Audienz bei dem Machthaber vorsichtig die Folterungen anzusprechen versuchte, indem er von physischen Zwangsmitteln sprach und Pinochet antwortete: „Sie meinen Folter? Das ist in Ordnung, die Kerle müssen singen!“
Aber genauso erinnere ich mich an Menschen aus meiner ehemaligen Gemeinde in Chile, für die der General ein Retter und Held war, weil er die Linken verfolgte, die ihren Großgrundbesitz enteignen wollten. Nun ist er gestorben, ohne dass er verurteilt werden konnte. Und doch ist das Land inzwischen anders geworden. Vielleicht war das eine weise Entscheidung Gottes, die dem tief gespaltenen Land viel erspart hat. Und dennoch ist es gut, dass auch dieser Gewalttäter nun vor seinen Richter treten muss.
Wie konkret sind da auf einmal die Verse aus dem Jesajabuch, die wir sonst nur auf dem Hintergrund weihnachtlicher Harmonie hören. Denn in der Regel lassen wir die Zeilen aus, die davon sprechen, dass die dröhnende Kriegsmaschinerie einmal beseitigt werden wird.
Das große Licht, das das Volk im Finstern sieht, bescheint diejenigen, die auf der Suche sind nach Frieden und Freiheit und Gerechtigkeit, schreibt Jesaja – und das nicht nur in Chile. Wie schön wäre es, wenn in diesem Advent auch aus anderen Weltgegenden Nachrichten kämen vom Ende des Terrors und der Gewalt und Menschen entdeckten, wie viel besser es sich lebt, wenn man gewaltlos und in Frieden zu Lösungen kommt.
Konrad Schulz
Dekanatspfarrer für Ökumene